MBL 4010 Vorverstärker Revision und Modifikation
Schon vor geraumer Zeit war mir ein MBL 4010 Vorverstärker aus dem Familienumfeld “zugeflogen”, ein Gerät mit niedriger Seriennummer ungefähr aus der Mitte der 80er Jahre. Kaum zu glauben, aber das Ding hat auch schon 30 Jahre auf dem Buckel, was man ihm von außen nicht ansieht. Bedingt durch die familiäre Vorgeschichte (ich kenne den Verstärker seit zig Jahren), durch das ausgefallene Design und den recht gut wartbaren modularen Aufbau habe ich beschlossen, das Gerät komplett zu revidieren und wieder dauerhaft in Betrieb zu nehmen. Der Verstärker hat zudem eine sehr flexible MM/MC Phonovorstufe – das kommt mir entgegen, weil ich zwei Plattenspieler betreibe.
Die zentralen Schwachpunkte des Verstärkers waren mir im Vorfeld bekannt: Das (zu?) kompakte Netzteil erhitzt sich bei längerem Betrieb sehr stark, der Lautstärkeregler hat im unteren Bereich einen massiven Gleichlauffehler, und die im Netzteil und auf den Eingangsplatinen verbauten Elkos von Roederstein gelten als nicht besonders alterungsbeständig, ergo: Austausch fällig!
Zuerst habe ich versucht, über MBL in Berlin einen Schaltplan zu erhalten. Diesen konnte mir MBL aufgrund des Alters des Geräts nicht zur Verfügung stellen, man hat mir bei anderen Fragen zum Gerät aber sehr schnell und freundlich geholfen. Dabei wurde mir auch die Möglichkeit angeboten, den Verstärker in Berlin überprüfen zu lassen. Dies kam aber vor allem aus dem Grund nicht infrage, dass dieser Service eines der Hauptprobleme, nämlich die thermische Problematik des Netzteils, nicht hätte beseitigen können.
Weitere Recherchen im Internet bezüglich der Schaltpläne für den MBL 4010 brachten keine verwertbaren Ergebnisse. Ich habe dann aber herausgefunden, dass Canton in den 80er Jahren den Vorverstärker EC-P1 produziert hat, der auf der Schaltung des MBL 4010 basiert. Zum EC-P1 habe ich tatsächlich im diyAudio-Forum einen Schaltplan auftreiben können, mäßig lesbar, aber immerhin. Im Zuge der Planung und Umsetzung zeigte sich dann allerdings, dass es im Detail doch einige schaltungstechnische Unterschiede zwischen dem MBL 4010 und dem Canton EC-P1 gibt. Trotz allem: Die Unterlagen zum EC-P1 waren eine große Hilfe, mehr dazu unten.
Das originale Netzteil des MBL 4010 ist als symmetrischer Längsregler um einen Regel-IC vom Typ 723 aufgebaut. Dabei wird an den Leistungstransistoren in jedem Spannungszweig eine Eingangsspannung von ca. 34V auf ca. 20V heruntergeregelt, bei einem Strom von jeweils ca. 300-400mA. Das bedeutet, dass hier jede Menge Leistung in Wärme umgewandelt wird. Der dafür vorgesehene Kühlkörper ist sehr klein ausgefallen, aus meiner Sicht völlig unterdimensioniert. Die gesamte Wärme wird in das kompakte Netzteilmodul abgeführt, in dem sich auch der Trafo befindet. Das wird nach geraumer Zeit richtiggehend heiß. Die Ausgangspannung war zudem nicht völlig symmetrisch (ca. 1V Differenz, nicht einstellbar) und im Testbetrieb ohne Gehäuse machte der Versärker einen z.T. instabilen Eindruck mit einigen Störgeräuschen. Zeiweise zog auch das Relais für die Freischaltung der Ausgänge nicht zuverlässig an. Im Gesamtbild fällt das Design des Netzteils gegenüber der übrigen schaltungstechnischen und mechanischen Konzeption des Geräts aus meiner Sicht deutlich ab.
Die erste Maßnahme stand deshalb fest: Auslagerung des Trafos sowie Vergrößerung der Kühlkörper. Die Schaltung des Netzteils war u.a. mangels Schaltplan für mich nur schwer zu durchschauen, deshalb formte sich mehr und mehr der Gedanke, das Netzteil komplett neu aufzubauen und durch eine solide Regelschaltung zu ersetzen. Das Netzteil des Canton EC-P1 ist übrigens komplett anders aufgebaut, es handelt sich um eine Standard-Applikation mit zwei 7818/7918-Festspannungsreglern. Solide, aber klanglich nicht der Weisheit letzter Schluß und irgendwie für so ein Projekt zu einfach :-). Einige Recherchen nach Netzteilen für Audiozwecke führten zu diversen Längsreglern, zu Längsreglern mit Gyratoren (TeddyReg), zu Längsreglern mit Pretracking (Kaskadierung von (Fest-)Spannungsreglern) und zu sogenannten Shunt-Reglern (Parallel-Regler), die Parallel-Regler erschienen aber für meine limitierten Elektronik-Kenntnisse in der Dimensionierung zu kompliziert.
Letztlich bin ich bei dieser Variante gelandet: Einer solide aufgebauten symmetrischen Spannungsversorgung mit LM317/LM337 sowie vorgeschalteter elektronischer Brummunterdrückung. Der Entwickler der Schaltung scheint sehr fundierte Kenntnisse in der Entwicklung von Schaltungen für Mess- und Laborzwecke zu haben, die Schaltung verwendet Standardbauteile, das Konzept erscheint auch für die Verwendung im Audiobereich sinnvoll, und die Schaltung verspricht eine sehr gute Unterdrückung von Restbrumm. Ich habe die Schaltung im Prinzip 1:1 übernommen, und das Ergebnis bestätigt meine Wahl: Der Vorverstärker läuft mit der neuen Netzteilregelung absolut stabil und ohne jegliche Störgeräusche.
Die erste Siebstufe habe ich durch eine CLC-Brummsiebung frei nach Unisieb ergänzt. Den Kühlkörper für die Montage der Längstransistoren (Brummunterdrückung) bzw. Spannungsregler habe ich auf die Rückseite des Netzteilgehäuses ausgelagert, denn im Gehäuse wird a) die Wärme nicht effektiv abgeführt und b) wäre es schlicht zu eng geworden; das neue Netzteil hat einfach wesentlich mehr Bauteile (u.a. einige größere Kapazitäten), und der DIY-Aufbau braucht einfach etwas mehr Platz als eine industriell gefertigte Platine. Der alte Trafo wurde ausgemustert und durch einen Ringkerntrafo mit sehr großzügig dimensionierten 50VA ersetzt. Dieser wurde in ein externes Gehäuse gepackt, dort findet auch die Gleichrichtung sowie die erste Siebung statt.
Das alte Netzteil enthielt auch die Einschaltverzögerung für das Relais, dass nach dem Einschaltvorgang die Ausgänge des Vorverstärkers freischaltet. Die Schaltung war etwas ungewöhnlich um einen 5534-OPV aufgebaut. Ich habe stattdessen die Variante aus dem Canton EC-P1 gewählt, diese ließ sich mit kleinen Anpassungen auf den MBL 4010 übertragen.
Nach dem Neuaufbau des Netzteils habe ich die Eingangsmodule überarbeitet. Alle Roederstein-Elkos wurden gegen Panasonic FC getauscht, die Kondensatoren zur Pufferung der Versorgungsspannungen wurden zusätzlich mit 0,1µF Folie gebrückt. In meiner elektronisch-amateurhaften Naivität bin ich zuerst davon ausgegangen, dass die Elkos um die MC-Vorstufe herum (siehe Transistor-Arrays auf der Platine) auch zur Stützung der Betriebsspannung dienen. Das war aber falsch – ein genauer Blick in den Schaltplan des Canton EC-P1 zeigt, dass über diese Elkos die MC-Eingangsspannung symmetrisch in die Transistor-Arrays des MC-PrePres ein- bzw. ausgekoppelt wird. Die Kapazität erscheint dafür mit 220µF ziemlich hoch angesetzt, aber die Bewertung der korrekten Dimensionierung überschreitet auch hier meine Elektronikkenntnisse, also habe ich die Werte so belassen und für das gute Gewissen im Eingang mit Folienkondensatoren gebrückt (die flogen sowieso noch herum).
Auf den Eingangsmodulen wurden danach alle ICs gesockelt. Das Auslöten der alten ICs erwies sich dabei als echte Tortur: Die Bauteile auf den Platinen der Eingangsmdule sind beidseitig verlötet, was es unmöglich machte, die 8-poligen ICs mit normalen Methoden herauszubekommen. Selbst Entlöt-Tricks mit Kanülen aus Edelstahl brachten absolut keinen Erfolg (zudem hat man mich seltsam angeschaut, als ich in der Apotheke beim Kauf der Kanülen das IC als Demonstrationsobjekt vorgezeigt habe). Die Lösung war dann hart, aber effektiv: Durchkneifen der ICs (NE5534/CA3140 kosten ja nicht viel), anschließend Auslöten der einzelnen Pins. Damit waren die alten Operationsverstärker Geschichte, was aber nicht wirklich schlimm war. Der NE5534 hat zwar einen soliden Ruf, was den Einsatz in Audioschaltungen angeht, aber auch schon viele Jahre auf dem Buckel. Deshalb habe ich mich letztendlich dazu entschlossen, alle OPVs (außer in der Stufe für den Kopfhörerverstärker) durch OPA604 zu ersetzen. Diese sind für den Einsatz in Audioschaltungen entwickelt worden und haben einen guten klanglichen Leumund, sind pinkompatibel, sind weiterhin unity-gain-stable, und sie sind (wichtig für mich) bezahlbar – immerhin benötigt der MBL 4010 pro Kanal sechs Stück.
Letzte Maßnahme für die Eingangsmodule: Der MBL 4010 ist komplett DC-gekoppelt; zum Anschluss von Endstufen stehen zwei Ausgänge bereit, einmal konsequenterweise auch direkt/DC-gekoppelt, und einmal über einen Kondensator DC-befreit, falls durch eine komplett bis zu den Endverstärkern DC-gekoppelte Kette Probleme/Schäden bei den Lautsprechern zu befürchten wären. Die kapazitive Kopplung erfolgt im Originalzustand durch zwei in Reihe geschaltete Tantalkondensatoren (je 10µF). Diese habe ich aufgrund des Alters und aus klanglichen Aspekten gegen einen Folienkondensator getauscht. Dabei hatte ich etwas Glück – der neue Kondensator passte von der Höhe her millimetergenau (noch so eben) auf die Platine. Folie hat richtig Volumen…
Aller guten Dinge sind drei: Nach Netzteil und Eingangsmodulen war jetzt das Modul mit der Steuerung, den Ausgangsstufen und den Kopfhörerverstärkern an der Reihe. Auf der Platine wurden die ICs gesockelt (das ging hier viel einfacher, weil nicht durchgelötet), die OPVs der Ausgangstufe gegen OPA604 getauscht, das Muting-Relais spannungsmäßig durch 720R in Reihe etwas entlastet (hat sich vorher stark erwärmt), es wurden Elkos zur Pufferung der Betriebsspannung ergänzt (gibt es auf den Eingangsmodulen schließlich auch), und das Poti für die Lauststärkeregelung wurde getauscht. Ein mechanisch passendes Austauschteil habe ich bei Conrad gefunden. Dieses Poti hat zwar keine Rasterung wie das Original, ich war aber froh, überhaupt ein kompatibles Teil zu finden, denn das Poti ist mechanisch schon sehr eng verbaut/umbaut, da war die Auswahl nicht wirklich groß. Kleiner Dämpfer am Rande: Auch dieses Poti hat an einer Position einen massiven Gleichlauffehler, der allerdings so weit im unteren Bereich liegt, dass dies kaum stört, zumal man den Regelbereich des Laustärkereglers durch die -20dB-Taste gut umschalten kann.
Bei der Laustärkeregelung zeigte sich ein weiterer Unterschied des MBL 4010 zum Canton EC-P1: Während beim EC-P1 die Regelung konventionell gegen Masse vor der letzten Stufe erfolgt, liegt die Regelung beim MBL 4010 (soweit ich das beurteilen kann) in der Gegenkopplung der letzten Stufe. Das hat mir zwischendurch die Suppe versalzen: Ich war zwecks Verbesserung der Potiwerte auf diese Schaltung gestoßen, die aus einem linearen Poti durch Parallelschaltung eines Festwiderstands am Schleifer ein quasi-logarithmisches Poti mit verbessertem Gleichlauf macht – das war in der Schaltungstopolgie des MBL 4010 dann aber nicht anwendbar/praktikabel, also Rückbau, neues Poti ordern und tauschen.
Nachdem alle Arbeiten ausgeführt waren, konnte der erste komplette Testflight erfolgen – also erst einmal alle Module zusammenstecken und ohne Gehäuse testen. Das lief zum Glück auf Anhieb gut. Bei den Stufen, die auf den Eingangsmodulen den Einschleifweg für eine externe Prozessoreinheit treiben (zum 4010 gab es von MBL einen passenden vollparametrischen Equalizer), habe ich noch den DC-Offset abgeglichen, dafür sind bereits Trimmer vorgesehen.
Danach erfolgte der Einbau in das Gehäuse, was extrem frickelig ist, besonders was das Steuer-/Ausgangsmodul betrifft. Man sieht auf den Bildern, wie komplex die Einheit mechanisch konstruiert ist, und die Platine passt wirklich nur durch geschicktes Drehen und Verschieben ganz knapp in das Gehäuse. Der Entwickler muss hier ein ausgesprochenes Faible für die Konstruktion/Planung dieses Aufbaus gehabt haben, es ist wirklich konsequent umgesetzt worden. Anschließend war noch eine gründliche Reinigung nötig, das verchromte Gehäuse verzeiht keinen Fingerabdruck.
Mit dem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden. Das Gerät läuft (wieder) einwandfrei, klingt inkl. Phonstufe subjektiv sehr gut, wobei man Verstärkerklang besser an anderer Stelle diskutieren soll. Zudem ist der Verstärker meiner Meinung nach ein sehr individueller Designklassiker und optisch ein Highlight.